Die grüne Gemeinderatsfraktion ist der Überzeugung, dass die Durchführung eines Bürgerentscheids zu einer unnötigen Verhärtung der Fronten zwischen den beteiligten Gruppen führen würde. Und das hinsichtlich einer Sache, in der sich doch alle einig sind: Das Ankunftszentrum für Geflüchtete soll in Heidelberg bleiben.
„Aus unserer Sicht spricht daher vieles dafür, diese wichtige und folgenreiche Entscheidung nicht übers Knie zu brechen, sondern wohl abgewogen zu treffen“, so der grüne Fraktionsvorsitzende Derek Cofie-Nunoo. Dazu in wenigen Wochen einen Bürgerentscheid durchzuführen, hieße, die Heidelberger*innen nicht über verschiedene Lösungen und Konzepte abstimmen zu lassen, sondern vor allem über Spekulationen und Ängste, die mit der einen oder anderen Variante verbunden sind. Auf diese Weise ist weder mit dem inhaltlich besten Ergebnis für Heidelberg zu rechnen, noch mit einer konstruktiven, an Sachfragen orientierten Auseinandersetzung innerhalb der Stadtgesellschaft.
„Aufgrund dieser Bedenken haben wir in der vergangenen Woche intensive Gespräche mit den Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens geführt“, so Cofie-Nunoo. „Wir konnten dabei feststellen, dass Grüne und Initiator*innen des Bürgerbegehrens das gemeinsame Ziel haben: eine qualitativ hochwertige, faktenbasierte und lösungsorientierte Bürgerbeteiligung in Heidelberg zu gewährleisten.“
Aufbauend auf dem offenen Ideenaustausch zwischen Vertrauenspersonen und grünen Stadträt*innen hat die Grüne Fraktion einen Antrag formuliert, den sie am 17.12.2020 in den Gemeinderat einbringen wird. „Damit legen wir ein Angebot an den OB und die Mitglieder des Gemeinderats für einen kooperativen Weg vor, das Ordnung in ein Verfahren bringen kann, das ansonsten im Kampfmodus mit ungewissem Ausgang entschieden werden würde“, so Cofie-Nunoo. Der Antrag umfasst die folgenden Punkte:
1) Alle am 18.6.2020 unter TOP 6 (Verlagerung des Ankunftszentrums für Geflüchtete von Patrick-Henry-Village zum Standort Wolfsgärten) vom Gemeinderat gefassten Beschlüsse sind mit sofortiger Wirkung aufgehoben.
2) Zum Thema der Standortsuche des Ankunftszentrums für Geflüchtete wird ein Bürger*innenrat eingesetzt, der aus Bürger*innen besteht, die nach einem Zufallsprinzip ausgewählt wurden. Aufgabe des Bürger*innenrats ist es, mögliche Standorte des Ankunftszentrums zu beraten und dazu eine oder mehrere Empfehlungen an den Gemeinderat abzugeben. Ziel ist dabei, auch weiterhin ein vorbildliches Ankunftszentrum auf Heidelberger Gemarkung oder den Nachbargemeinden zu betreiben (auch als Teil einer dezentralisierten Lösung) und die Entwicklung von Patrick-Henry-Village zu einem zukunftsfähigen Stadtteil zu ermöglichen.
3) Die Empfehlungen des Bürger*innenrats können sich auch auf mögliche Frageformulierungen für einen durch den Gemeinderat zu beschließenden zukünftigen Bürgerentscheid beziehen, um eine endgültige Standortentscheidung zu treffen.
4) Die nähere Konzeption, der Zeitplan und das Arbeitsprogramm des Bürger*innenrats wird durch einen Lenkungskreis festgelegt, dessen Mitglieder im Bürger*innenrat kein Stimmrecht besitzen. Als Mitglieder des Lenkungskreises (jeweils mit Stellvertreter*innen) werden benannt: aus dem Gemeinderat ein Mitglied und eine Stellvertreter*in für CDU/FDP/Heidelberger, ein Mitglied und eine Stellvertreter*in für Bündnis 90/Die Grünen, ein Mitglied und eine Stellvertreter*in für SPD/Die Linke/GAL/Bunte Linke/HiB/PARTEI; zwei Mitglieder und eine Stellvertreter*in für die Stadtverwaltung; zwei Mitglieder und eine Stellvertreter*in für die Vertrauenspersonen des am 9.11.2020 eingereichten Bürgerbegehrens. Beschlüsse des Lenkungskreises sollen im Konsensprinzip erfolgen bzw. bedürfen, falls trotz Bemühen kein Konsens erreichbar ist, einer Zwei-Drittel-Mehrheit. Der Lenkungskreis wählt aus seinen eigenen Reihen zwei gleichberechtigte Koordinator*innen, um die Sitzungen einzuberufen und vorzubereiten. Der Lenkungskreis konstituiert sich im Januar spätestens aber bis Februar 2021. Die Stadtverwaltung unterstützt den Lenkungskreis und den Bürger*innenrat im Rahmen ihrer Möglichkeiten.
5) Der Lenkungskreis ist in alle Gespräche zwischen der Stadt Heidelberg und dem Land Baden-Württemberg über den zukünftigen Standort des Ankunftszentrums für Geflüchtete einzubeziehen.6) Die Stadt Heidelberg unterlässt bis zu einer endgültigen Entscheidung über den zukünftigen Standort des Ankunftszentrums alle Maßnahmen, die einen bestimmten Standort präferieren oder auf den Vollzug einer bestimmten Standortwahl hinwirken und betrachtet den zukünftigen Standort des Ankunftszentrum als ergebnisoffen. Planerische Untersuchungen oder Verhandlungen mit Dritten zur Faktenklärung sind möglich.
Begründung
Die grüne Gemeinderatsfraktion ist der Überzeugung, dass die Durchführung eines Bürgerentscheids zu einer unnötigen Verhärtung der Fronten zwischen den beteiligten Gruppen führen würde. Und das hinsichtlich einer Sache, in der sich doch alle einig sind: Das Ankunftszentrum für Geflüchtete soll in Heidelberg bleiben. Zudem soll PHV als moderner, sozialer, nachhaltiger und zukunftsweisender Stadtteil schnell entwickelt werden, um dringend benötigten Wohnraum für 10.000 Menschen zu schaffen. Mit dem im Antrag vorgeschlagenen Vorgehen und der Einrichtung eines Bürger*innenrats würde der Gemeinderat zur Klärung eines festgefahrenen Konfliktes einen kooperativen Weg einschlagen.
Wir danken den Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens für ihre Offenheit und ihre Bemühungen zur Klärung eines festgefahrenen Konfliktes und appellieren an die Gemeinderatsfraktionen, sich ernsthaft mit unserem Lösungsvorschlag zu beschäftigen.
Der Antrag der Grünen-Fraktion im Wortlaut: Hier klicken!
Artikel in der Rhein-Neckar-Zeitung vom 17.12.2020: Hier klicken!