Die Grüne-Fraktion beschäftigt sich seit Wochen intensiv mit dem Ankunftszentrum. Bei einem Vor-Ort-Termin und in zahlreichen Gesprächen u.a. mit Verantwortlichen des Ankunftszentrums und Vertretern der IBA haben sich die grünen Stadträt*innen ein Bild von der aktuellen Lage gemacht. Außerdem hat die Fraktion zahlreiche Gespräche mit Bürgern*innen, Landwirt*innen, Vertreter*innen der Stadtteilvereinen und Fachleuten geführt. Für eine sachliche und konstruktive Debatte ist eine fundierte Faktenbasis unentbehrlich.
Hier die wichtigsten Argumente im Überblick:
1. Das Ankunftszentrum soll in Heidelberg bleiben. Dazu gibt es im Heidelberger Gemeinderat einen Konsens. Das Ankunftszentrum gilt als deutschlandweit vorbildlich, vor allem aufgrund der sehr guten internen Organisation und der ehrenamtlich stark engagierten Heidelberger Stadtgesellschaft. Deshalb ist auch die Landesregierung Baden-Württemberg extrem zufrieden mit diesem Ankunftszentrum und hat ein hohes Interesse daran, dass es in Heidelberg verbleibt. Hier gibt es ebenso einen Konsens zwischen Heidelberg und dem Land.
2. Ein Ankunftszentrum ist nicht das gleiche wie die dezentrale Unterbringung von Geflüchteten. Es ist wichtig zu verstehen, was die Aufgabe eines Ankunftszentrums ist, bevor man in die Diskussion geht.
Die wichtigsten Punkte sind:
- Ein Ankunftszentrum ist die erste Anlaufstelle für Geflüchtete, wo sie registriert werden, medizinisch behandelt werden, und ihren Asylantrag stellen.
- Die meisten Geflüchteten bleiben weniger als vier Wochen im Ankunftszentrum. Danach werden sie weiter in dezentrale Anschlussunterbringungen verteilt.
- Es geht bei einem Ankunftszentrum deshalb nicht um Integration. Das ist allein deshalb nicht möglich, weil ein Ankunftszentrum aus Sicherheit für die Geflüchteten (hier sind auch besonders vulnerable Geflüchtete untergebracht) ein baulich geschützter Bereich ist, in den Externe nicht einfach eindringen dürfen.
3. Kommunen, die ein Ankunftszentrum auf ihrer Gemarkung haben, sind von dezentraler Anschlussunterbringung von Geflüchteten nach Königsteiner Schlüssel „befreit“. Das nennt sich „LEA-Privileg“ (LEA = Landeserstaufnahme). Das ist nicht der Grund, warum wir das Ankunftszentrum weiter in Heidelberg haben wollen – wir hätten auch kein Problem mit einer zusätzlichen dezentralen Unterbringung von Geflüchteten in der Stadt. Wir wollen das Ankunftszentrum deshalb behalten, weil wir davon überzeugt sind, dass es in Heidelberg am besten funktioniert. Das Ankunftszentrum für Flüchtlinge ist in Heidelberg am besten aufgehoben. Hauptamtliche und Freiwillige haben eine stabile Struktur geschaffen. Sie kümmern sich um die Menschen, die aus oft grauenvollen Umständen fliehen und den Weg bis nach Deutschland im Wortsinne überleben mussten.
4. Es muss nun ein neuer Standort für das Ankunftszentrum, das sich aktuell auf Patrick Henry Village (PHV) befindet, gefunden werden, da wir PHV als neuen Heidelberger Stadtteil entwickeln wollen, vor allem um für dringend notwendigen zusätzlichen Wohnraum zu sorgen. Darüber sind wir uns ebenfalls überparteilich einig. Um diese Entwicklung zu ermöglichen, hat das Innenministerium der Stadt Heidelberg 100 Millionen Euro für den Neubau eines Ankunftszentrums zugesagt. Dieses Geld ist noch für ein halbes Jahr im Landeshaushalt eingestellt. Deshalb muss der Gemeinderat möglichst bald einen neuen Standort beschließen, sonst finanziert das Innenministerium keinen Neubau und das Ankunftszentrum bleibt auf PHV. Ein dortiger Verbleib würde die Entwicklung von dringend benötigtem Wohnraum auf PHV um mindestens 5 Jahre verzögern (da zur Zeit des Neubaus sowohl die alte als auch die neue Fläche blockiert wäre) und andererseits ist das PHV auch ohne Ankunftszentrum mit 10.000 Bewohner*innen (Untergrenze für einen autark funktionierenden Stadtteil) extrem knapp geplant. Wenn vom Wohnraum für diese 10.000 Menschen noch die Fläche eines Ankunftszentrums abgezogen wird, steht das Funktionieren von PHV als Stadtteil auf dem Spiel. Es ist liegt daher sowohl im Interesse als auch in der Verantwortung der Stadt, eine neue Fläche für ein neues Ankunftszentrum zu finden.
5. Das Innenministerium hat das Gewann Wolfsgärten als möglichen Standort eines neuen Ankunftszentrums geprüft und für geeignet befunden. Auch wenn wir die Wolfsgärten nicht ideal finden, halten wir sie für deutlich geeigneter als den Gäulschlag.
6. Klar für uns ist: Egal auf welchem Standort, das Ankunftszentrum muss in qualitätsvoller Bauweise erstellt wird. Architekt*innen wissen, wie man Gebäude so erstellt, dass sie nach außen als Lärmschutz dienen und nach innen einen geschützten, angenehmen Wohn- und Hofraum bilden. In allen Städten gibt es Wohngebäude entlang lauter Straßen und Bahngleisen. Neuere Architektur kann sehr sorgsam auf solche Lagen reagieren. Wenn auf den Wolfsgärten gebaut wird, dann soll das Gelände so entwickelt werden, dass die Menschen sich dort aufgehoben fühlen, auch wenn sie nur kurze Zeit dort verweilen. Die Anbindung an die Innenstadt und zum nächsten Nahversorger kann über eine Shuttlebus-Linie erfolgen. Der S-Bahnhof “Pfaffengrund – Wieblingen” liegt in nur 800 Meter Entfernung.
7. Für die Versiegelung von aktuell landwirtschaftlich genutzter Fläche fordern wir einen 1:1-Ausgleich. Das bedeutet, dass eine Fläche, die aktuell nicht landwirtschaftlich genutzt ist, nach diesem Ausgleich landwirtschaftlich genutzt werden muss. Dieser Ausgleich kann auch interkommunal, d.h. außerhalb von Heidelberger Gemarkung stattfinden. Der Oberbürgermeister hat uns zugesichert, dass ein solcher 1:1-Ausgleich (sowohl inter- als auch intrakommunal) möglich ist; das für einen solchen Austausch Flächen identifiziert wurden. In dieser Hinsicht spricht auch für die Wolfsgärten, dass sie aktuell im Bebauungsplan der Stadt Heidelberg als Gewerbefläche und nicht als landwirtschaftliche Fläche ausgewiesen sind, und dass dort aktuell auf dem relativ unfruchtbaren Boden ein nicht-Heidelberger Bauer Mais für Biogasanlagen anbaut. Die Wolfsgärten werden also aktuell nicht dafür verwendet, Heidelberger*innen mit regionalen Produkten zu versorgen – im Gegensatz zum Gäulschlag. Hinzu kommt, dass das Umweltamt die Flächen auf dem Areal Gäulschlag als ökologisch hochwertiger einschätzt als die Flächen auf dem Areal Wolfsgärten. In den Hecken- und Randbereichen der Wolfsgärten siedeln geschützte Tier- und Vogelarten. Diese Bereiche werden in der Planung berücksichtigt und können durch die neu entstehende Umzäunung des Areals sogar noch besser geschützt werden.
Die Grüne-Fraktion wird sich auch weiter konstruktiv an der Suche nach dem bestmöglichen Standort für ein Ankunftszentrum in Heidelberg mitwirken.
Gemeinderatsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Heidelberg, Stand: 18.02.2020
Bei Fragen: geschaeftstelle@gruene-fraktion.heidelberg.de
+++ Update, 05.03.2020 +++
Die Grüne-Fraktion hat für die Sitzung des Stadtentwicklungs- und Verkehrsausschusses am 4. März beantragt, einer Verlagerung des Ankunftszentrums auf das Areal Wolfsgärten nur unter bestimmten Bedingungen zuzustimmen. Der Antrag wurde mehrheitlich beschlossen. Der Antrag im Wortlaut: Hier klicken!