Heidelberg De-kolonial

Stadtblatt-Beitrag von Marilena Geugjes und Dorothea Kaufmann – Ausgabe vom 19.04.2023 //

Auch wenn Heidelberg eine internationale Stadt ist, sind wir alle nicht frei von diskriminierenden Denkmustern und Vorurteilen. Die steigenden Fallzahlen unseres Antidiskriminierungsbüros zeigen: Auch hier fühlen sich Menschen diskriminiert, oft aufgrund ihrer Hautfarbe. Diese Denkmuster sind in unserer Kultur und unseren Köpfen verankert und sorgen für Diskriminierung und Chancenungleichheit. Das ist Rassismus! In Deutschland sind beispielsweise auch Jüd*innen, Sinti*zze und Rom*nja, Muslim*innen, Menschen mit Migrationsgeschichte und geflüchtete Menschen von Rassismus betroffen. Vor allem Anti-Schwarzen Rassismus hat seinen Ursprung in der europäischen Kolonialgeschichte, die unsere Kultur maßgeblich prägte und prägt.

Wo finden diese kolonialen (Denk)-Strukturen in unserem Alltag statt? Wie können wir sie erkennen, hinterfragen und dekonstruieren? Dieser Frage gingen wir im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus gemeinsam mit zahlreichen Interessierten unter der Leitung des Bildungs- und Antirassismus-Referenten Angelo Camufingo nach. Angefangen bei Bismarck, Namensgeber unseres zentralen Platzes und Begründer des deutschen Kolonialreiches, der maßgeblich an der Ver- und Zerteilung Afrikas Ende des 19. Jahrhundert beteiligt war, über Fragestellungen wie der, ob jede Form von Rassismus ihren Ursprung in Europa hat, bis zu alltagspraktischen Botschaften wie “Schweigen ist Gewalt”, gelang eine lebhafte Diskussion.

Rassismus ist auch durch die Verankerung in unseren gesellschaftlichen Strukturen so schwer zu bekämpfen. Das UN-Menschenrechtsbüro in Genf wirft europäischen Ländern vor, jahrhundertelange Gewalt und Diskriminierung hätten staatliche Strukturen hervorgebracht, in denen Schwarze Menschen durch Polizei und Ämter, Gesetze, Verordnungen und Einstellungen systematisch benachteiligt würden. Dieser strukturelle Rassismus wird immer noch abgestritten, was die Debatte über das Thema abwürgt. Der Afrozensus (Studie über die Lebensrealität von Schwarzen Menschen in Deutschland) zeigt, dass über 90 Prozent der Befragten nicht geglaubt wird, wenn sie von rassistischen Erlebnissen berichten. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns. Nicht nur beim Anti-Rassismus, sondern auch bei Repräsentation und Teilhabe von People of Color, auch in Politik und Kultur.

Wenn Sie das nächste Mal durch die Altstadt gehen, hören Sie doch den Podcast “Heidelberg kolonial”, denn unsere koloniale Vergangenheit hat neben Schaufensterfiguren in Tabakgeschäften oder Gaststätten mit rassistisch belegten Namen noch weitere Spuren hinterlassen. Diese zu ignorieren und nicht aufzuarbeiten ist einer weltoffenen Stadt wie Heidelberg nicht würdig, finden wir!